EINE ZUSCHRIFT.
Lieber P.P. Wie ich I,einen Brief las, da blieb mir fast die Spucke weg, denn alles, was Du da sagtest, wenn es auch keine Antwort auf T.T.*s Eingesandt war, passte zu genau auf mich, ich mei® ne das mit den Armen schwenken, dem Grinsen und all den andern Siinden mehr, vor allem das mit der grenzenlosen Dummheit, und ich danke Dir, dass Du mir einen Spiegel vorgehalten hast. Ich werde ... wenn ich kann ... in Zu« kunft unter die Trapisten gehen und nie mehr reden. (Kannst Du mir helfen und mir ein Heft® pflaster aufs I-’. • .I’undchen kleben? Bitte ! )
Wie jedes Volk, so hat auch jeder Kensch sein Temperament. Kinder, Naturvolker und Darren geben lebhafter ihren Gefiihlen Ausdruck. Erwachsene, vor allem von zivilisierten Vol® kern, sind erzogen worden, ihre Gefiihle zu verbergen. Wenn aber Leben Sich-bewegen ist und Tod Starre, aann ist Starrsein Totsein. Der Pessimist ist ja aber nicht starr, sondern sehr, sehr ausdrucksvoll und ... stdrend in seinem £ Pessimismus: verzweifelte Reden, finstere kienen, sauren Geruch und vieles mehr. Er ist der Gegenpol zum Optimisten,
aber ein Realist er bestimmt » nicht. Der Optimist pflanzt noch am Grabe die Hoffnung auf, der Pessimist begrabt die Hoffnung schon in aer Wiege, und der Realist..? hat vielleicht keine Hoffnung notig, weil er in Gleichgultigkeit Oder Paruberstehen nirarnt, was kommt. wir aber, die wir raehr Oder weniger mit den irdischen Dingen noch verknupft sind, wir schwingen mit der Zeit, und fur uns kommt diese Zeit nur e initial, und wer sie nicht mitlebt, dem entgeht viel. Das Endresultat weiss keiner, denn es kommt erstens anders und zweitens als man denkt? wir konnen nur aus den taglichen Rreignissen und ihren vielen loglichkeiten die wahlen, die unserem Temperament, unserem Glauben und unserer Dummheit am moisten zusagen. Ist das Vogel-Strauss-Benehmen ? So denkt der Seemann, der als einzig feste Grundlage die ewige Veranderung anerkennt.
Von hier aus, — wenn einem die Beine schon zittern, wenn man an den entsetzlichen
Schlarnassel denkt —, grosse Tone zu reden,
ist nattirlich toricht. Wir, die wir warm und weich sitzen, fiihlen die Schmerzen und Qualen der Kampfender nicht, wir konnen nur demutig ihre Grosse bewundem, und das gilt fur alle Kampfendenj und da glaube ich auch,dass T.T. und P.P. und alle wir anderen auch den but unserer ijberzeugung haben und nach bestem Wissen und Gewissen und korperlichen KrAften leben und handeln werden. Mehr kann keiner tun. In diesem Sinne werden wir auch bis zuletzt, komme was wolle, aushalten. Vielleicht hat T.T. seine Worte raehr als Zuruf geineint, weil Pessimisious so sehr die Krafte lahiot, die man in der nichsten Zeit so stark ndtig haben wird. Ist nicht der Englander deshalb so stark, weil er ganz stur weiter geht und
keinen Pessimismus aufkommen lasst ? Eins ist sicher, dass der Optimist seine Kadizin keinem auf drangen will, wie es doch auch der Pessimist nicht will, ... nicht wahr ?
Auf jeden Fall, Schmerzen und Not sind grosse Erzieher der Eenschen, so in diesem Sinne,was auch kommen mag, das ist gut, denn aus ihm erwachst das Bessere.
G. Dibbern, Lager-Narr.
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Bibliographic details
Deutsche Stacheldraht-Post, Issue 128, 10 September 1944, Page 3
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502EINE ZUSCHRIFT. Deutsche Stacheldraht-Post, Issue 128, 10 September 1944, Page 3
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