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Das unterirdicche Florenz.

(Forbsebzung). Da brab vor Kurzem oin]uaerschrokkttner Mann in einor' Broschuoio „Firenz« sotberranea" (daß unterir disoln Florenz) mib erachuetternden Enbhuellungen hervor uad deokte 2u* staende auf.'die man bis jetzb nur am Wesbende Londons fuer moeglich gohalben. Jarro so nenub sich dec Verlaa* sor hat Jahre eoines Lobens darauf verwendet, dieae Welt za atudiren,

hat die Polizei auf ihren naechtlichen Streifzuegen iui Ghetto begleitet, hat mit einigen dieser Hoehlenbewohner Freundschaft geschlossen, um ihre Lebensschichte kennen zu lemen, und hat verkleidet ihren Zusammenkuenf ■ ten beigewohnt. Seine Enthuellungen haben solches Aufsehen erregt, dass das kleine fiuechlein in kurzer Zeit mehrnaals aufgelegt werdan musste und dass selbst die Alterthumsfrennde in Florenz nicht mehr laut gegen das Zerstoerungswerk zu protestiren wagen, das *war schon laengst geplant war, das aber ohne dieses Buechlein wohl noch Jahr und Tag seiner Ausfuehrung entgegen geschlummert haette, Ehe nun diese naechtliche Welt von der Erde verschwunden ist, begleiten wir Jarro aui einer seiner Wanderung Er fuehrt uns durcb die Vorstufen der Hoelle hindurch in den Ghetto: „Per me si va tra la peduta gente." Auch hier standen einst Palaeste der Grossen, und .eine elende Piazzetta, die jetzt in einen Hofraum eingescblossen ist. fuehrt noch den stolzen Namen Medici. Spaeter wurden hier die Juden eingesperrt, die der Magistrat von Florenz betufen hatte. um dem Wucher der eigenen Mitbuerger zu steuern doch ward ibnen nicht allzu weich gebettet, und ntich ist ein altes Dokument vorhanden, worin einer von ihnen „dem Papst zu Liebe und wegen anderer Verbrechen" zum Tode verurteilt wird.

Aber still! und folgen wir Jarro. Er fuehrt uns durch duukle Gaenge, gewundene Treppen, Hoefe und Terrassen, die von Dach zu Dacb, von Keller zu Keller alle Haeuser mit einander verbinden, durcb Katakomben, in die nie das Tageslicht faellt and wo ein Mensch mit oder obne seinen Willen auf immer verschwinden kann. Er laesst uns in die Diebsherbergen blicken. wo 15 bis 20 schmutzige Strohsaecke am Boden liegen und wo die Diebe fuer einenJSoldo zu uebernacbten pflegen; er zeigt uns Frauen, die zudreien und vieren nur ein einziges Kleid besitzen, das sie der Reihe nach anziehen, Kinder die schon mehr Gerichtsstraten als Lebensjahre aufsuzaehlen haben und die auf jede Frage sei es auch die eiafacbste unfehlbar mit einer Luege antworten; er giebt uns Pioben aus der der' Graunersprache des Mercato undstelltuns einzeln die merkwuerdigsten Typen vor. Im Vorbeigehen seben w.r die grosse Diebskaserne im Bicolo del iuoco, in der 32 Familien von Allem entbloesst beisammen wobnen, die saemmtlich auf ein besonderes Genre des Steblens eindressirt sind. Sie gehen des Nacbts mit einer langen Schnur, woran ein grosser Haken befestigt, durch die Gassen, und wo sie Waeschegegenstaende an den Fenstern baengen sehen, werfen sie diese Schnur i-ehr geschickt wie einen Lasso hiuauf und entflieben mit der herabgezerrten Beute. Von da bringt uns Jarro nach der Schule, wo die kuenftigen Diebe von erprobten Meistern der Profession herangebildet werden. Die Kinder sind unter den Begabtesten ausgewaeblt, haben ihre Pruefungen zu bestehen und erhalten demgemaess ihre Auttraege. Eines Abends laesst Jarro sich von einem seiner im Ghetto ansaessigen Freunde zu der Unterrichtsstunde der Gauner fuebren. Mit einem grossen schmutzigen Hut, den ihm der Freund aufnoethigt, und mit einem Korb am Arm, ueber dessen legitimen Besitz Jarro selber Zweifel aufsteigen, machteer sich auf den Weg. In einem elenden Wirthszimmer, wo sonst nur die anruechigsten Subjekte mit ihren Dirnen sich versammeln, sieht er vier Kinder zwischen neun und dreizehn Jahren. lhr Lehrer, so erzaehlt Jarro, hatte sie darauf aufmerksam gemacht, dass ein Baner in das Zimmer kommen werde, mit einem Buendel in der Tasche. Also auigepasstl Der Gast kam mit dem Buendel, das er ncbcn sich aui die Bank legte. fir w»r Btlbat ein Dieb und einer

von den erfahrensten, aber er war so gut verkleidet und kam mit so harmloser Bauernmiene herein, class ihn die Kinder nicht erkannten. Der Bauer setzt sich, der Lehrer tritt au; ihn zu uhd knuepft ein Gespraech an. Der Bauer ladet ihn zu einem Glas Wein ein, der Andere setzt sich gleichfalls. giebt aber den Knaben einen Wink. Die Kinder draengen sich nun um den vermeintlichen Bauer, als wollten sie Spaesse mit ihm treiben. Ich sah, wie Einer ihm das Portemonnaie herauszog, wie der zweite das Buendel nahm, die zwei Anderen empfingen diegestohlenenGegenstaende und warfen' sie neben unser Versteck, wo mein Fuehrer vor Angst zitterte.

Wir gingen sogleich, ich hatte genug. ~Der vermeintliche Bauer," so erklaerte mir mein Fuehrer unterwegs, ~hat sich still verhalten, weil inn die Kinder gut bestohlen haben. Das Portemonnaie, das sie hierher warfen, ist leer und ich kann ihnen sagen, dass es vielleicht erst heute Morgen zu diesem Zweck gestohlen worden ist." Wundersam sind die Erinnerungen eines andern seiner Freunde, die ich noch der Merkwuerdigkeit wegen hierher setzen will, obgleich sie nicht aui dem Mercato spielen. Der alte G. war in seiner Jugend Brieftraeger zwischen Florenz und Pontasieva. Eines Nachts wurde er unterwegs von unbekannten Strolchen auigegriffen und durch Drohungen genoetigt, in Gemeinschaft mit ihnen in einer benachbarten Kirche einzubrechen und die Leiche eines kuerzlick Bestatteten zu berauben. Als er seinen Geiaehrten Schmuck und Kleider des Todten heraufgereicht hatte und wieder aus dem Grabe steigen mollte, stiessen ihn die Strolche zurueck und nach einem verzweifelten Ringen wurde die Gruft ueber ihm geschlossen. Kaum hatte er Zeit gehabt, sich ueber seine furchtbare Lage klar zu werden, als er schon wieder Schritte ueber seinem Kopfe hoerte, der Stein wurde aufgehoben, und ein Individuum stieg in die Gruft herab, offenbar ebenfalls in der Absicht die Leiche zu pluendern, bat aber gleicb die Gefaehrten, ihm eice Prise Tabak 7U reichen wegen des unertraeglichen Gerucbs. Da sprang unser G. auf die Fuesse und forderte mit hobler Stimme gleichfalls eine Prise. Von Schreck gepackt rannten die Diebe davon und G. konnte sich retten. Unverschuldetes Elend hat den TJngluecklichen spaeter ebenfalls in das Grab der Lebendigen, nach dem Mercato Vechio, gebracht. Die Feder straeubt sich, all das Elend und die Graeuel nachzuerzaehlen, die in diesem Buechlein verzeichnet stehen. . Wir wollen weder in die unterirdischen, von Feuchtigkeit triefenden Hoehlen treten, wohin die Gossen abtraeufeln, wo sieben bis acht Personen auf einer Lagerstaette beisammen liegen, wo Morgens Kinder todt gefunden werden, von den Grossen im Schlaf erdrueckt, noch wollen wir hinter die Treppen kriechen, wo in einem Raum von wenigen Metern mehrere Scblatstellen zum Vermiethen aufgeschSageu sind, noch in die vermauerten Winkel, wo menschliche Gerippe ausgegtaben werden, Aber ich kann es mir nicht versageu,

noch eiuige der merkwuerdigsten Typen dieser unbekaunten Welt bierher zu stellen. Hier ist z. B das Exemplar eines Heblers : ~Kr geht iramer srbwarz gekleidet, im Cylinder, sucht jeden Anlass, um auf der Strasse Jemarjd zu gruessen und zu tbun, als babe er vornebme Bekanntschaften. Zuweilen ziebt er den Hutab. wenn ein Herrschaftswagen vorueberfaehrt, und schneidet seine untertaenigsten und auflallendsten Kratzfuesse. Die so Gegruessten gebea den Gruss zurueck und fragen sieb, wer wohl dieser ceremonioese Patron sein moege. Er gebt viel in die Kircbe, legt sein Sacktucb unter die Kniee, den Rosenkranz hervor

Die Hehler ueben gewoehulich eine bnergerliche Professiop aus, aber der Kramladen, die Werkstatt sind nur Aushaengescbilde. Ihre eigentlichen Geschaefte macben sie mit den Dieben, die in ihren Diensten stehen und denen sie das sauer erworbene Stueck Brot scbmaelern. Denn der Dieb ist meist so arm wie eine Kirchenmaus, waehrepd der Hehler immer reich wird. Ein anderer eingenthuemlicher Typns ist der Spion, der uebrigens selten vorkommt. Diese verwahrloste Gesellscbaft hat auch ihren Ehrenpunkt. Siehlen, besonders mit Geschick und straflos, ist ruehmlich. Wer schon zehn bis zwauzig Mai im Geiaenguiss gesessen, geniesst hohes Ansehen, wer gar in so und so viel Processen freigesprochen worden, steht auf aut der obersten Sprosse ihrer Hierarchic Aber den Dieb, den Ge - faehrten des Geldes wegen verrathen, gilt fuer schmaebvoll. vVenn es uoch vorkommt. geschieht es aus Racheoder Eifersucht.

Ein gewisser C. war ein beruehmtet Spion. Jahrelang war er einer der durchtriebensten Jiebegewesen, aber eines Tages batte er sicb von den Seinigen lcsgesagt uud sicb in den Dienst der Polizei begeben Er kleidete sich mit einem gewissen Pomp, ging nur im Cylinder, aber er stand in tiefrter Verachtung und wurde toedlicb gehasst. Wenn gewisse Gescbaeftsleute, bei denen das niedere Volk einkauft, einen Hut, eine Kravatte oder dergleichen aus der Mode bringen wollten, so liessen sie den C. rufeu und schenkteu ihm den betrefleuden Gegenstand Wer nun ein aehnlicbes Stueck besass, wart esalsbald weg, kam in den Laden und kaufte sicb ein ancleres. C. besass einen unerschuetterlicben Mutta. Die Polizei bat ibn stets zu sagen, was er wisse, aber sich nicht auszuseUen. Es war jedoch alles vergebens. Er wollte um jeden Preis die Patrouillen begleiten, es war seine Passion, die Vergeben seiner frueheren Katueraden aufzudecken, mit der Polizei in ihre Hoeblen einzudringen, sich zuerst der Gefabr entgegenzustuerzen und die Gauner bei der Brust zu packen, die er sonst umarmt batte. Die Rache, welche die Polizei fuercbtete, liess nicht lange auf sich warten. Eines Tages wurde er bei helletn Sonnenlicht in einer der belebtesten Strassen von Florenz er« dolcht. Aber er starb zufrieden, uachdem er seinen Moerder angezeigt, iroh, dass sein Tod wenigsteus einen seiner ehemalige Genossen ius Zuchthaus brachtc.

Wir sind am Ziele unsertr Wande" rung. Aus den Hoehlen des Ghetto heraus fuehrt uns ein einziger Schritt in die breite elegante Via de Cerretani, und ueber die Katakomben des unterirdischen Florenz hinweg sehen wir, oben irn licbten Sonnenschein zwischen den Staenden der Blumenverkauefer durch, die Herrschaftswagen zum Corso donnern. Da liegen sie hinter uns in ihrer Bettlermajestaet, diezerbroeckelten Palaeste, dieTuerme der Kirche des Mercato, und wir wissen ietzt, warum keine Fuerbitte der Kunstkenner ibnen ihr historisches Dasein mehr iristen kann. Eine schwere Arbeit mag es werden, diese naechtliche Welt aus ihren Verstecken heraus zu treiben. Haben wir doch vor Kurzem gesehen, wie verzweifelt die Besitzer der alten Buden des Mercato sich webrten. als sie bei Niederreissung der Becheria expropriirt wurden, bis es der bew.iSneten Macht gelang, sie mit Gewalt nach der neuen eleganteu Markthalle in Via del'Ariento zu versetzen. Ganz Florenz aber sieht diesem Tag mit Spannung entgegen. Die Gelehrten erwarten von der Demolierung des Mercato die wichtigsten topographischen Aufschluesse und boffen mit Bestimmtheit, unter der Erde die des alten Kapitols uud vielleicht unschaetzbare Kunstwerke aus der Roemerzu finden. Das Volk dagegeu glaubt das in den geheimen Gaengen des Ghetto die Schaetze der Juden aus den Zeiten ihrer Unterdrueckung vergraben liegen. Dann wird an die Stelle des alten Mercato ein weiter lustiger Platz mit bequemeu Haeusern und Saeulengaeugen treten, von breiten schnurgeraden Strassen durchzogen, die den ~modernen Erfordernissen" entsprechen, ein Platz, auf dem Schutzmann und Spazzaturajo herrschen, reinlich, sicher aber langweilig. Isolde Ku r 7..

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Bibliographic details

Samoanische Zeitung, Volume 15, Issue 41, 9 October 1915, Page 9

Word Count
1,749

Das unterirdicche Florenz. Samoanische Zeitung, Volume 15, Issue 41, 9 October 1915, Page 9

Das unterirdicche Florenz. Samoanische Zeitung, Volume 15, Issue 41, 9 October 1915, Page 9

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