DR. MED. HIOB PRÄTORIUS.
Wohl sei ten hat eine Auffuhrung in einem Gefangenenlager eine solch wohltuende Y.irkung auf die Allgemeinheit gehabt, wie die Komodie vom Dr.Pratorius. Frisches, lebendiges Leben, urwiichsige Kraft zum Leben und zum Lieben,jawohl, Lieben ! Wozu sind wir denn in dieser
Welt ? (Hoffent lich nicht nur,um hinterm Stacheldraht wertvolle Jahre zu vergeuden.) Dem Versauem in unseren Hiitten muss mit alien
I.Citteln gesteuert werden, und nichts ist besser dazu geeignet, als gerade ein solch le«
benspriihendes Spiel, wie am Sylvester wir es erlebten. Tiefgefiihlter Bank steht denen zu, die sich der so schwierigen Aufgabe unterzogen, durch wochenlsnges Studiura ihre langwierigen Rollen zu erlemen, denen, die unermudlich Geist und Korper anstrengten, den Theaterraum mit Biihne, Beleuchtung, Mobiliar und allem, was sonst noch alles dazugehort, so herzurichten, um ein vollig perfektes Bild uns vorsufuhren, und nicht zum mindesten den Haarkiinstlem, die es fertig brachten, aus unserem kleinen Freund Gemert einen ehrwtirdigen al ten Herm, einen Doktor med., hervor* zuzaubern, neben den vielen anderen Verwandlungen, die wir nur bewundern konnten. In welcher griindlichen Weise die Finzelnen ihre Pflicht auf sich nahmen, diirfte unser Freund Froh zeigen, der schon einige Vf’ochen lang mit schiefem Nacken herumlief; er sollte ja den vom Henkerstrick Wiederauferstandenen darstellen und machte es hervorragend gut. - Dabei fallt mir ein, dass wir in Samoa einen Amerikaner hatten,namens "Crooked-Neck Bill", der war auch gehenkt worden,von einer Lynching -party, der Strick rise aber ab, und man Hess ihn leufen; er trug seinen Nacken genau so wie Freund Froh ! - Gleich die erste Szene,das Zwiegesprach, zeigte uns die Tiefe des Gelernten; zynisch, arrogant, schlagfertig bis zum ff der eine, Sherlok Holmes; zerfahren, verwirrt, im Bann seiner Gelahrtheit sein alter Busenfreund Watson, den der erste aber ndtig hat su seinem weitreichenden Gedankensniel. - Zwei Ausserst schwierige Rollen und tadellos durchgefuhrt.K.Wild hatte dazu noch in der dritten Szene eine sehr wirkungsvolle und glanzend abstechende zweite Rolle in dem "humorlosen" Dr. Dagobert. Rs fehlte nur noch, dass er mit dem Finger auf den Professor zeigte, was natiirlich bei einem Ehrengericht nicht angehen kann,und man hatte den kurzsichtigen, has serftill ten, eifersuchtigen Professor-Kollegen vor sich,
den iiberzeugenden Vorsitzenden eines Ehrengerichtes, der mit alien litteln seinem langjahrigen "Freund" nur zu gem das Genick brechen mochte. Sehr geschickt dargestellt ! So sahen wir Willi Behnke zum ersten Mai auf der Biihne.
Professor Nack, der treue,biedere Freund, wurde dargestellt von unserem langen Schmidt in nur gewohnter Weise; er sollte eigentlich einen anderer Namen haben, einen aussergewohnlichen, der dem von ihm gezeigten Talent besser entspricht. Mich soli es nicht wundern, wenn eines Tages, vielleicht schon nach kurzen Jahren, wir horen, dass einer unserer ersten Theaterkiinstler aus ihm wurde. - So ein Krieg bringt manch Unerwartetes zur Welt.Wir kommen nun zur holden Weiblichkeit, die in keinem anregenden Spiel fehlen darf. Die "kleine Bestie" mit den funkelnden Augen bewegte sich dann auch mit der gehdrigen Anmut, gelinde gesagt (was Toni Aprea keinerlei Schwierigkeit zu bereiten schien); ja,ja,Herr Professor, mit den drei Kindern, aber nur von ihm ! Was soil da noch draus werden ! - Zu schade, dass man uns die so schone, lebensspriihende, anregende, nach alien Beriohten vortreffliche Frau Professor nicht zeigte, das hatte allem die Krone aufgesetzt; ist doch das schone Weib die "Krone" der ganzen Schopfung. Und wer konnte gerade das besser beurteilen als wir, die wir hier in stummer Entsagung Jahr auf Jahr verbringen nriissen. - Was niitzt ein Leben ohne Liebe, was ist die Blume ohne Luft. -
Den Sinn dieser Dorte verkorperte unser lieber Lob in einer Weise, die in aber auch Jeder Hinsicht von ihm dargestellt war, um einen jeden mit fortzureissen in der Verehrung des Ewig-weib lichen und iiberhaupt des Liebenswerten und Lebensbejahenden. - Und mit einem frohlichen, frischen Lachen ging er mit ihr in den Tod. — Sin schdnes Ende. — Zum Schluss dieser Bemerkungen sei noch gesagt, oass gerade diese Komodie fur unser Festspiel besonders passend war und die einzelnen Rollen ausgezeich.net verteilt waren. Die verantwort lichen Spiel lei ter haben den Nagel auf den Kopf getroffen, fur unser Wohl. Und gerade das konnen sich einige von uns bier im Lager hinter die Ohren schreiben: MEHR DIENST AM VOLK I R.P.B.
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Deutsche Stacheldraht-Post, Issue 93, 2 January 1944, Page 3
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676DR. MED. HIOB PRÄTORIUS. Deutsche Stacheldraht-Post, Issue 93, 2 January 1944, Page 3
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